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Luxus – Lotterleben – Lifestyle

Tee verändert Nordeuropa

Passend zur kalten Jahreszeit widmet sich das St. Annen-Museum in Lübeck ab dem 2. Oktober 2022 der wechselvollen Geschichte des Tees in Nordeuropa. Über 130 Exponate rund um den Tee machen die Entwicklung vom begehrten Luxusartikel und umstrittenen Importgut hin zur Massenware und zum Lifestyle-Getränk greifbar.

Die begehrten Blätter und ihr Weg nach Nordeuropa

Hankou, China, 19. Jh. Teeziegel mit russischer Prägung, Camellia sinensis-Tee, Völkerkundesammlung, Lübeck, © Völkerkundesammlung, Lübeck

Weißer, grüner und schwarzer Tee wird aus den Blättern der gleichen Pflanze, der Camellia sinensis, gewonnen, die erstmals in China kultiviert wird und bereits seit Jahrtausenden bekannt ist. Seit dem 17. Jahrhundert findet sie allmählich ihren Weg über den Handel nach Europa. Die Überfahrt mit dem Schiff dauert zu Beginn je Strecke rund ein Jahr und birgt unzählige Risiken. Sicherer, jedoch auch zeitaufwändiger und teurer ist hingegen der Transport über das Festland. Der zu Ziegeln gepresste Tee gelangt mit Karawanen aus Maultieren, Pferden und menschlichen Trägern an sein Ziel.

China, um 1750, Koppchen mit Unterschalen, aus dem „Nanking Cargo“, Pagoden-Dekor, Porzellan, Unterglasurmalerei, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn

Über 200 Jahre lagen diese Teeschale und die dazugehörige Untertasse gemeinsam mit vielen anderen auf dem Meeresboden. Erst 1985 werden sie und die restliche Ladung des versunkenen Handelsschiffs Geldermalsen entdeckt und bei einer sensationellen Auktion versteigert. Der tadellose Zustand der Porzellane erklärt sich durch ihre Verpackung in mit Tee befüllten Holzkisten. Die aromatischen Blätter waren selbst das teuerste Handelsgut, das im Schnitt 60% der Ladung und 90% des Profits ausmachte. Da die feinen Blätter sehr leicht sind, erfordert es einer schweren Beiladung, um den Transport per Schiff zu ermöglichen.

Ein Sensationsfund vom Meeresboden

Heikle Hintergründe

Boh Tea Plantage in Cameron Highlands, Pahang, Malaysia, © Colin Roe, 28. Juni 2020, www.unsplash.com

Der Handel mit Tee ist nicht ohne Schattenseiten, denn der Tee wird im 19. Jahrhundert in China indirekt mit Opium bezahlt, und es werden darüber sogar zwei Opiumkriege geführt. Die für den Krieg verantwortliche britische Kolonialmacht begann parallel dazu, Teeplantagen in Indien, Ceylon (Sri Lanka) und Ostafrika anzulegen. Damit einher ging die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und der Bevölkerung der Länder. Die Arbeit auf vielen Teeplantagen findet bis heute zum Teil unter widrigen Arbeitsbedingungen statt. Immer wieder werden die schlechte Bezahlung von Teepflücker:innen und ihre gesundheitliche Belastung durch Spritzmittel beklagt. Auch die Bedrohung der als Monokulturen angelegten Plantagen durch den Klimawandel beeinträchtigt die Teewirtschaft und Millionen von Familien, die dort Arbeit finden.

Während aus China Tee, Porzellan, Seide und andere Waren nach Europa importiert werden, gibt es umgekehrt kein Interesse und Absatzmöglichkeiten für europäische Produkte im anfangs verehrten Reich der Mitte. Lediglich das Rauschgift Opium bildet eine Ausnahme. Britische Händler reagieren auf die ab 1800 verstärkte Nachfrage und lassen die Droge in großen Mengen nach China schmuggeln. Um an das als Zahlungsmittel für die chinesischen Waren benötige Silber zu gelangen, wird Großbritannien zum größten Drogenhändler der Welt. Das in Indien angebaute Opium ist deutlich günstiger und stärker als das, das aus anderen Ländern importiert und in China angebaut wird. Die Folge ist ein sprunghaft steigender Konsum, der zu einer Opiumepedemie ausufert. 

Trotz kaiserlicher Verbote lässt sich das Problem nicht eindämmen, sodass die chinesische Regierung 1839 mehrere Tausend Kisten Opium und tausende Opiumpfeifen zerstören lässt und außerdem 350 Ausländer festsetzt. Die Briten reagieren darauf mit ersten Seegefechten und beginnen damit den ersten Opiumkrieg. Er umfasst mehrere Militärexpeditionen zwischen 1839 und 1842 und zwingt dem Kaiserreich viele wirtschaftliche Zugeständnisse ab. Als sich die Chinesen im Jahr 1856 gegen die Fremdbestimmung durch die Europäer im zweiten Opiumkrieg auflehnen, gehen die Briten zusammen mit den Franzosen erneut siegreich hervor. Daraufhin setzen sie die Öffnung der chinesischen Häfen sowie immense Reparationszahlungen durch und erklären Hongkong zur britischen Kronkolonie.  

Mehr zu den Opiumkriegen

Parallel zu den Opiumkriegen unternehmen die Briten Versuche in Indien und anderen Kronkolonien Tee zu kultivieren, um sich vom chinesischen Tee unabhängig zu machen. Zum Schutz des chinesischen Handels werden Informationen allerdings strikt zurückgehalten. Die Ausfuhr von Teepflanzen und -samen sowie die Abwanderung von Experten stehen unter strenger Strafe. Doch immer wieder stellen sich Forscher und Abenteurer der Gefahr. So auch der schottische Gärtner und Pflanzensammler mit dem glücksverheißenden Namen Robert Fortune (1812–1880). In den 1840er Jahren besucht er als Einheimischer verkleidet chinesische Teeanbauregionen und Verarbeitungsstätten und sammelt Wissen und Pflanzen. Er ist es auch, der durch die illegale Ausfuhr chinesischer Teepflanzen dem Teeanbau in Indien den Weg ebnet und rund 250 neue Zierpflanzen aus China und Japan in Europa, Australien und den USA einführt – ein früher Fall der Biopiraterie mit gewaltigen Ausmaßen.

Für die Kultivierung des Tees in Indien mindestens ebenso wichtig ist die Entdeckung der in der indischen Provinz Assam heimischen Teepflanze Camellia sinensis assamica in den 1820er Jahren. Mit ihr werden nach einiger Verzögerung und Versuchen mit Teepflanzen aus China die inzwischen berühmten Teeanbaugebiete in Assam, Nilgiri und auf Sri Lanka angelegt. 

Mehr zu Biopiraterie

Neue Erfindungen für eine neue Mode

Stockelsdorf, 1778, Teetischplatte, Fayence, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn
Stockelsdorf, 1778, Teetisch, Fayence, Holz, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn

Ein kostbarer Teetisch mit geblümter Fayenceplatte sowie ein Wasserkocher, eine Kranenkanne, ein Samowar und eine Teeurne zur Heißwasserbereitung veranschaulichen den durch Tee beflügelten Ideenreichtum. Als er in Europa ankommt, sind in Asien bereits Rituale etabliert, eine große Auswahl an Geräten vorhanden und der medizinische Nutzen erkundet. Einiges davon wird aufgegriffen und importiert, doch vieles gilt es auch neu zu gestalten, zu Gunsten der heimischen Wirtschaft nachzuahmen und entsprechend der lokalen Erfordernisse und Vorlieben zu verändern.

Wohl Lübeck, 18. Jh., Kranenkanne, Messing, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn
Sundern / Westf., um 1960, Wasserkocher, Hersteller: SUS, Schulte-Ufer KG, Typ: Protherm 11241;53, Messing, verchromt, punktförmig gehämmert, Holz, lackiert, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn
Wohl Lübeck, um 1800, Samowar, Kupfer, Holz, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn
Wohl Deutschland, Anfang 19. Jh., Tee-Urne, Zinn, Holz, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn

Der Samowar kommt im 18. Jahrhundert auf und verbreitet sich vor allem in Russland, wo er ein wichtiges Zeichen der Gastfreundschaft ist und im Zentrum der Teekultur steht. Doch auch in anderen Ländern ist er beliebt.

Der typische Aufbau eines Samowars lässt sich an dem in Kupfer glänzenden Ausstellungsstück exemplarisch nachvollziehen. Er besteht aus einem großen Wasserbehälter, der hier kubisch umgesetzt ist. Mittig dadurch verläuft von oben nach unten eine mit brennender Holzkohle zu befüllende Röhre. Über die Lochblende unterhalb des Wasserbehälters wird Luft für die Verbrennung zugeführt. Die oberhalb des Behälters austretende Röhre wirkt wie ein Schornstein und sorgt dafür, dass die Glut lange anhält und das Wasser über Stunden hinweg passend temperiert ist. Die nach oben abgegebene Hitze wird ebenfalls genutzt. Zu diesem Zweck dient ein Teekesselhalter, der gleichzeitig das obere Ende des Heizrohrs elegant verdeckt und heiße Luft durch dekorativ gesetzte Löcher entweichen lässt.

Auch der Kupfersamowar hat einen solchen Aufsatz, auf den sich eine Sudkanne stellen lässt. In dieser wird ein starkes Teekonzentrat angesetzt, das nach persönlichen Vorlieben am Hahn mit heißem Wasser verdünnt werden kann. Während die Funktion dieses Samowars typisch ist, ist es seine Form nicht. Am weitesten verbreitet sind Samoware in Zylinder- und Vasenform. Kubische Wasserbehälter und große Tragegriffe wie bei diesem Exemplar sind hingegen typisch für den mobilen Einsatz.

Der Samowar und seine Funktionsweise
Luxus
Meissen, 1725/26, Koppchen mit Untertasse, aus dem Service für Christian VI. von Dänemark, Porzellan, TeeMuseum, Norden, © TeeMuseum, Norden / Foto: Fotostudio Ekkenga

Fürstliche Pracht

Zusammen mit dem unbekannten Tee gelangen auch größere Mengen an bis dahin unbekanntem Porzellan nach Europa. Beides wird zu Beginn mit Gold aufgewogen und dient den Reichsten zur standesgemäßen Repräsentation. Das zum Teetrinken, sowie zum Dinieren und als Dekoration genutzte Porzellan weckt überall umgehend die Sammelleidenschaft. Er sei besessen von der „Maladie de porcelaine“, der Porzellankrankheit, sagt August der Starke von sich selbst. Er trägt in Dresden eine der bedeutendsten Porzellansammlungen des 17. und frühen 18. Jahrhunderts zusammen und gründet 1710 in Meißen die erste europäische Porzellanmanufaktur.

Paul Kießling, Johann Friedrich Böttger zeigt August dem Starken die Porzellanherstellung, 1875, Öl-Wachsmalerei, Albrechtsburg, Meißen, © Schlösserland Sachsen – Albrechtsburg Meissen / Foto: Frank Höhler
Meissen, 20. Jh. Teedose, Entwurf: 1710 / 13, Böttgersteinzeug, TeeMuseum, Norden, © TeeMuseum, Norden / Foto: Fotostudio Ekkenga

Die besondere Zusammensetzung der Porzellanmasse – das Arkanum – entdeckt der Apotheker und Alchemist Johann Friedrich Böttger 1709. Er ist seit 1702 Gefangener von August dem Starken, für den er Gold herstellen soll. Immer wieder versucht er zu flüchten, um der Todesstrafe auf Misslingen zu entgehen. Erfolgreich sichert er sich sein Überleben, indem er seine Kenntnisse und Geschicke im Bereich der Materialkunde beweist. Auf die Herstellung des als rotes Porzellan oder Böttgersteinzeug bezeichneten roten Steinzeugs im Jahr 1707 folgt im März 1909 das erstmalige Brennen von weißem Porzellan in Europa. Wichtigen Einfluss darauf hatte neben Böttger der Physiker Ehrenfried Walther von Tschirnhaus und dessen Wissen um Brenntechniken. Das zunächst noch elfenbeinfarbene „Böttgerporzellan“ wurde nach Böttgers Tod 1719 weiterentwickelt und erlangte durch die Zugabe von ca. 50 % Kaolin seine typisch strahlend weiße Farbe und hohe Qualität, die bis heute Maßstäbe setzt. Geheim bleibt die Porzellanrezeptur nicht lange, sodass es in Kürze in ganz Europa zur Gründung weiterer Manufakturen kommt.

Johann Friedrich Böttger und das Arkanum
Lotterleben?
Stockelsdorf, 1790, Henkelkrug, Fayence, Zinn, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn
Lübeck, 19. Jh., Henkelkrug, Irdenware, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn

Tee anstatt Bier und Wein

Lübeck, um 1755, Teekessel auf Rechaud, Marke: Hieronymus Philipp Koch, Silber, Holz, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn

Mit dem Konsum von Tee und Kaffee ist angeblich das Lotterleben nicht mehr fern. So lauten zumindest moralische Bedenken und Sorgen um die Volksgesundheit, die verbreitet werden, um den Teekonsum zurückzudrängen, da selbst spezielle Steuern und Zölle nicht helfen. Die Einwände kommen unter anderem aus dem Adel, der aufgrund der sinkenden Bierverkäufe Einnahmen verliert. Denn bevor der Tee weitere Verbreitung erfährt, war es in Europa üblich, Bier und Wein zu trinken. Erst nach und nach wird das Volk durch das asiatische Heißgetränk ernüchtert. Verantwortlich dafür sind sinkende Preise und die Gründung von Kaffeehäusern in den großen Handelsmetropolen, die den Kaffee- und Teeausschank populär machen.

England oder Norddeutschland, Mitte 18. Jh.,Teekessel auf Rechaud, Eisenblech und Lackmalerei, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn
England oder Norddeutschland, Mitte 18. Jh.,Teekessel auf Rechaud, Eisenblech und Lackmalerei, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn

In Lübeck führt die Ratsapotheke ab 1705 Tee, das als vielseitiges Heilmittel angeboten wird. Öffentlich ausgeschenkt wird das Heißgetränk zuvor schon in Tee- und Gasthäusern, was Teeverbote an Sonn- und Feiertagen aus dem Jahre 1701 und folgenden belegen. Der Tee gilt hier wie vielerorts als schädliche Substanz, die aufgrund des in den Gaststätten gepflegten Glücksspiels tatsächlich so manchen in Bedrängnis bringt. Im Norden Deutschlands erhält der Teekessel daher wohl auch die Bezeichnung „Bankrutkessel“ (Bankrottkessel) und das Teetrinken macht sich als Schwachheit der Holsteinerinnen einen Namen. Dass der Tee in Lübeck auch in der gehobenen Gesellschaft verbreitet war, zeigen mehrere Teekannen aus Silber, deren Inschriften und Monogramme Aufschluss über ihre respektablen Besitzer geben. Kessel aus günstigem Eisenblech, dokumentieren hingegen die Verbreitung in breiten bürgerlichen Kreisen.

Bankrottkessel und Tee in Lübeck

Aufklärung und Emanzipation am Teetisch

Die Möglichkeit, gesellschaftliche Grenzen zu überschreiten ist wohl die revolutionärste Wirkung, die dem Tee zugeschrieben werden kann. Der neue, informelle Rahmen der sog. Teesalons eröffnet in den Jahrzehnten vor und nach 1800 ungekannte Freiräume: Ansonsten aus dem gesellschaftlichen Diskurs ausgeschlossene Frauen, aber auch jüdische Mitbürger:innen und solche mit zweifelhaftem Ruf wie etwa Schauspieler:innen finden hier Möglichkeiten, sich untereinander und mit Personen des öffentlichen Lebens auszutauschen. Weit verbreitet sind die Treffen am Teetisch auch bei den diskussionsfreudigen Philosophen und Schriftstellern der Zeit, die dem Tee einen Ruf als Getränk des Verstandes einbringen.

 

Lübeck oder England, um 1780/90, Teetisch, sog. Tilt-Top-Table (zusammengeklappt), Mahagoni, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn

Der private Genuss: Bürgerliche Gemütlichkeit

Lübeck, um 1830, Sofa, Birke, Kiefer, Rosshaarbezug (ergänzt), St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn

Nach 1819 leben konservative Werte wieder auf und das Bürgertum flüchtet sich ins Private. Tee wird jetzt im Stillen genossen, unter engen Freunden und im Kreis der Familie. In dieser Zeit des Biedermeier etablieren sich das Wohnzimmer und der Begriff der Gemütlichkeit. Oder wie es Theodor Fontane formulierte: „Ruhe, Stille, Sofa und eine Tasse Tee geht über alles.“ Als Andenken oder Geschenk zur Erinnerung werden nun Sammeltassen in Ehren gehalten und stolz präsentiert. Anders als bei einem Tee- bzw. Kaffeeservice, wo der Dekor alle zugehörigen Teile mit einer einheitlichen Gestaltung verbindet, setzt man bei ihnen gerade auf die individuelle Gestaltung und Form jedes einzelnen Stückes.

Deutschland und Frankreich, 1820–1850, Sammeltassen, Porzellan, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn
Lifestyle

Großbritannien, Dänemark und Ostfriesland

Dänemark, 1960er Jahre, Teekannen, Entwurf: Jens Quistgaard, Ausführung: Kronjyden, Steingut, Metall, Rattan, TeeMuseum, Norden, © TeeMuseum, Norden / Foto: Fotostudio Ekkenga

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird Tee für alle erschwinglich. Nun ist er wortwörtlich in aller Munde und prägt vor allem in Großbritannien, Dänemark und Ostfriesland Arbeit und Freizeit. Großbritannien beeindruckt durch preiswertes Steingut, einen Wecker der Tee zubereitet und eine Vielzahl von Pausen, Veranstaltungen und Mahlzeiten, die dem Getränk gewidmet sind. Die Teegeschirre aus Dänemark folgen den Moden des skandinavischen Stils und drücken heitere Geselligkeit aus. Die ostfriesischen Teeweltmeister genießen ihre starke ostfriesische Teemischung bevorzugt mit Sahne und Kandiszucker in feinen Porzellanen mit traditionsreichen Dekoren wie der ostfriesischen Rose.

Meissen, 1774–1815, Koppchen mit Unterschalen, Strohblumen-Dekor, Porzellan, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn
London, 1977, Teedose zum 25. Thronjubiläum von Queen Elisabeth (Ansicht Queen Elisabeth), Hersteller: Robert Jackson & Co. Ltd., Blech, lithographiert, TeeMuseum, Norden, © TeeMuseum, Norden / Foto: Fotostudio Ekkenga
England, Birmingham, 1982, Elektrische Teemaschine »Teasmade«, mit Radiowecker und Zeitschaltuhr, Hersteller: Swan Brand, Kunststoff, Metall, TeeMuseum, Norden, © TeeMuseum, Norden / Foto: Fotostudio Ekkenga
Wallendorf, 1990er Jahre, Teeservice, Dekor »ostfriesische Rose«, Porzellan / Ostfriesland, Mitte 20. Jh., Rahmlöffel, Zinn / Pewsum, Mitte 20. Jh., Stövchen, Manufaktur Meyer, Messing, TeeMuseum, Norden, © TeeMuseum, Norden / Foto: Fotostudio Ekkenga
England, Burslem, nach 1784, Kumme, Ausführung: Wedgwood & Bently, Jasperware, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn
Dänemark, vor 1987, Tasse und Untertasse „Mågestellet“, Entwurf: Fanny Garde, um 1892, Ausführung: Bing & Grøndahl, Porzellan, TeeMuseum, Norden, © TeeMuseum, Norden / Foto: Fotostudio Ekkenga

Außerhalb des Königreichs wird es auf vielen Teetischen bereits ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts „very british“. Denn seitdem gelangt der Tee mitsamt einer großen Auswahl an Geschirren aus britischer Produktion über London nach Norddeutschland, Dänemark und in andere Länder. Begehrt und besonderen Anlässen vorbehalten sind die Erzeugnisse der Marke Wedgwood. Sie sind bekannt für ihren klassizistischen Stil, matte Oberflächen in kräftigen Farben und feine, erhaben gestaltete Verzierungen.

Begehrtes Wedgwood

Fast zur Grundausstattung eines dänischen Haushalts gehört das Möwenservice (dänisch Mågestellet), zu dem auch die Teetasse gehört. Es wird seit Produktionsbeginn im Jahr 1900 bis 2011 unverändert in zwei Varianten – mit und ohne Goldrand – produziert. Fanny Garde entwirft es 1892 für die Firma Bing & Grøndahl und etabliert sich damit als eigenständige Künstlerin. Das Naturmotiv ist charakteristisch für den Jugendstil, der nach der Verschmelzung von „Kunst und Leben“ sucht.

Ein dänischer Klassiker

Elektrifizierung und Mobilität

Berlin, um 1913, Tee- und Wasserkessel, Typ: 3591;36, Entwurf: Peter Behrens, 1909, Ausführung: AEG, Messing, vernickelt, Rohr, Holz, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn

Auf die in den 1880ern beginnende Elektrifizierung der Haushalte folgt bereits 1893 die Erfindung des ersten elektrischen Wasserkessels. Über einige Jahrzehnte bleiben die elektrischen Haushaltshelfer jedoch den Besserverdienenden vorbehalten. Erst die umfassende Elektrifizierung der Haushalte, günstigere Strompreise und wesentliche technische Verbesserungen der Produkte führen zur breiten Verbreitung der Geräte. Währenddessen bieten die 1903 von dem Deutschen Reinhold Birger entwickelten Isolierkannen und –flaschen neue Möglichkeiten des mobilen Teekonsums.

Deutschland, wohl 1950er Jahre, Isolierkanne, Typ: 7402/2, Stabilo-Therm, St. Annen-Museum, Lübeck, © St. Annen-Museum, Lübeck / Foto: Michael Haydn

Kulinarisches und Trends

Produktbild, alle BraTees, © UniBev GmbH

Bereits 1904 durch den Engländer Richard Blechynden auf der Weltausstellung in St. Louis popularisiert, entwickelte sich in den letzten Jahren Eistee zum weltweiten Foodtrend, der vor allem junge Erwachsene anspricht. Das machen sich etwa auch der Deutschrapper Capital Bra mit seinem Bratee und die Rapperin Shirin David mit ihrem DirTea zunutze und bieten immer neue Geschmackskombinationen an. Wer seinen Tee hingegen in Ruhe und Besinnlichkeit genießen möchte, kann in der gehobenen Gastronomie eine Teebegleitung zum Essen bestellen, Unterricht bei Teemeister:innen nehmen und auf eine nie dagewesene Vielfalt an feinen Teesorten, Geschirr und Geräten zurückgreifen.

Berlin, ab 2018, To-Go-Becher „Kurland“, Blanc Nouveau, Grün, KPM, Porzellan, Kunststoff, Leder, Porzellan Mellmann, Lübeck, © Porzellan Mellmann, Lübeck

Auch traditionsreiche und hochklassige Porzellanhersteller wie die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin setzen auf neue Trends. So ist als nachhaltige und stilsichere Alternative zu den gängigen Wegwerfprodukten der große Becher mit der auch heute noch unverwechselbaren Kurland-Reliefborte und mit Silikon-Deckel erhältlich. Das ikonische Design geht auf einen Auftrag von Peter Biron, Herzog von Kurland, im Jahr 1790 zurück. Er wünscht sich ein prächtig gestaltetes Tafelservice. Und so entsteht hier für den Auftraggeber eine in dieser Zeit hochaktuelle Kollektion in streng klassizistischer Form mit dem Namen „Service mit antiquer Kante“, das später in „Kurland“ umbenannt wird.

Kurland to-go
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