Der Memling-Altar
Der sogenannte Memling-Altar ist das berühmteste und kostbarste Kunstwerk in Lübeck. Die Lübecker Kaufmannsfamilie Greverade hatte es 1491 für den Dom gestiftet. Wie ein Theaterstück entwickelt der mehrfach wandelbare Passionsaltar von Hans Memling eine perfekte Dramaturgie:
Gemalte Skulptur im Trend der Zeit -
Die Werktagsseiten
Im Mittelalter war es an den Werktagen üblich, die Altäre zu schließen. Die meist schlichter gestalteten Außenflügel zeigen hier die Darstellung der Verkündigung als gemalte Skulptur. Bereits mit diesen Malereien offenbart sich das feinsinnige Gespür des großen niederländischen Meisters für die neuen Trends in der Malerei seiner Zeit. Gemalte Skulpturen waren erst zu Beginn des 15. Jahrhunderts in der niederländischen Malerei aufgekommen und zu einem der beliebtesten Motive geworden. Hier konnten die Meister mit unterschiedlichen Realitätsebenen spielen, um ihren Aussagen mehr Gewicht zu geben und zugleich in einen Wettstreit der Künste untereinander treten. (mehr…)
Schutzpatrone als Fürbitter der Stifter -
Die Sonntagsseiten
Die vier Innenflügel zeigen vier große stehende Heilige in feiner Farbnuancierung. Wir sehen Darstellungen (links nach rechts) von den Heiligen Blasius, Johannes dem Täufer, Hieronymus und Ägidius, die die Schutzpatrone der Stifterfamilie Greverade und des Domes von Lübeck waren. Ab 1504 hat der Altar hier 435 Jahre unverändert am selben Platz in der Greveradenkapelle gestanden. Erst zu Beginn des Zweiten Weltkrieges ist er evakuiert worden und schließlich ins St. Annen-Museum gelangt. Er war von Adolf (um 1452 – 1501) oder seinem Bruder Heinrich (gest. um 1500) in Auftrag gegeben und 1491 als eines der letzten Werke Hans Memlings fertiggestellt worden. (mehr…)
Die Passion und Kreuzigung Christi -
Die Festtagsseiten
Prächtige und vielgestaltige Szenen entfalten sich auf den Innenflügeln. Sie zeigen die Passion und die Auferstehung auf den Seitenflügeln und die Kreuzigung Christi in der Mitte. Wie in einem großen theatralischen Finale ist hier alles auf die bedeutende Kreuzigungsszene hin ausgerichtet. In meisterlichem Können und feiner Farbnuancierung erzählt Memling aber neben der Gesamtschau auch viele in sich geschlossene Begebenheiten rund um die Kreuzigung in simultanen Szenen. So zieht sich links der Erzählfluss von oben mit Christus am Ölberg, der Gefangennahme, der Geißelung und Verspottung, mit Jesus vor Pilatus und der Ecce Homo-Darstellung bis hin zur Kreuztragung in der unteren Bildhälfte. Alle Szenen hat Memling geschickt in die erdachte Architektur der Stadt Jerusalem eingebunden. Rechts liest der Betrachter die Tafel gegenläufig von unten mit der Grablegung und Auferstehung darüber bis hin zur Himmelfahrt oben links im Hintergrund. Die Kreuzigung auf der Mitteltafel vereint darüber hinaus den Zusammenbruch Mariens unter dem Kreuz, die trauernde Maria Magdalena am Kreuzesfuß, den guten Hauptmann, der im Moment des Todes Gottes Sohn erkennt und deshalb auf diesen hinweist, und schließlich rechts unten die Schergen, die um das Gewand Jesu würfeln. (mehr…)